In unseren Deutschstunden drehte sich in den letzten Wochen alles um politische Lyrik. Wir haben uns mit Gedichten beschäftigt, die nicht nur schön klingen, sondern auch etwas über aktuelle Missstände von Gerechtigkeit, Freiheit, Krieg, Umwelt und Soziales sagen wollen. Zum Abschluss der Reihe stand ein Poetry Slam an, bei dem wir unsere eigenen Texte vorstellten.
Die drei Gewinner/innen des Slams, Ming Ye, Robin und Salsabil, haben mit ihren Beiträgen besonders überzeugt. Ihre Texte sind kreativ, ehrlich und haben auch gezeigt, wie viel Kraft in Sprache stecken kann, wenn man sie nutzt, um auf Missstände aufmerksam zu machen, aber auch um Hoffnung zu geben.
Unsere eigenen Texte waren nicht nur ein toller Abschluss der Unterrichtsreihe, sondern auch eine Erinnerung daran, dass jeder von uns etwas zu sagen hat und dass es sich lohnt, zuzuhören.
Die Texte der drei Gewinner/innen findet ihr weiter unten. Reinschauen lohnt sich!
EF Deutschkurs, Frau Behr
Zwischen Haut, Herkunft und Religion (Salsabil Botrahi)
Du brauchst nicht zu zeigen wer du bist
indem du spricht
indem du lachst
und indem du deine Träume offenbarst,
denn du wurdest bereits sortiert
in Schubladen, die eigentlich nie für dich gemacht wurden
Deine Hautfarbe –
nicht nur ein Pigment, sondern Vorurteilsträger Nr.1
Und ,,Oh, sie spricht aber gut Deutsch“ merkte jemand an und schaute auf ihr Kopftuch
als wär‘ das ein Widerspruch
Doch weißt du was?
Sie hat’s in der Grundschule gelernt, genau wie du.
Rassismus liegt nicht in der Vergangenheit,
er befindet sich mitten in unserem Alltag
Er trägt einen Anzug
Er sitzt in Parlamenten und auf Schulbänken
Es spielt keine Rolle, wo wir uns befinden, denn überall werden Menschen nicht aufgrund ihrer Taten und Aussagen bewertet, sondern allein durch den Zufall ihres Geburtsortes, der Farbe ihrer Haut und dem Klang ihres Namens
Und Diskriminierung ist vielseitig
Sie passt sich an wie ein Chamäleon
Sie versteckt sich hinter Witzen,
in falschen Komplimenten
und Blicken, die sagen ,,Der/Die gehört nicht ganz dazu.“
Es macht mich wütend, zu sehen, dass Menschen wegen ihrer Hautfarbe immer noch dafür kämpfen müssen, nicht benachteiligt zu werden.
Es macht mich wütend, zu sehen, dass Kopftücher mehr Debatten auslösen als die Ungerechtigkeit dahinter
Es macht mich wütend, dass Namen Karrieren stoppen und dass Herkunft Türen schließt
Es macht mich wütend, dass Vorurteile mehr wiegen als die Qualifikation.
Sag mir nicht nur, dass du keine Unterschiede siehst,denn das ist der bequemste Weg, nichts zu ändern
Aber ich will nicht, dass du blind bist und nichts siehst
Ich will, dass du hinguckst und zuhörst und aufstehst
Ich will, dass Veränderung stattfindet und endlich jeder versteht,
dass Gleichwertigkeit kein Privileg ist, sondern ein Recht.
Klimawandel was ist das? (Robin Klitzsch)
Klimawandel?
Pff. Gibt’s nicht.
Hab’ noch nie gesehen,
wie CO2 an der Tür klingelt
und sagt: „Hallo, ich schmelze euch jetzt mal ein bisschen die Polkappen.“
Ich sag’:
Das ist doch alles nur ein Trend!
Wie Low-Carb.
Oder Männer mit Dutt.
Irgendwann geht das wieder vorbei.
Wie der Ozonloch-Hype.
Die Gletscher?
Die wollen doch schmelzen.
Vielleicht sind sie einfach müde.
Vielleicht ist das Selbstverwirklichung.
Lass doch mal die Eismassen in Ruhe.
Die machen einfach ihr Ding.
Und wenn der Meeresspiegel steigt,
dann bauen wir eben Stelzen unter Venedig.
Oder schwimmen zur Arbeit.
Ist auch gut für die Fitness.
Ich meine, come on!
Wer hat denn überhaupt Beweise?
Außer?
die NASA.
die ESA.
99 % der Klimawissenschaftler.
Und mein Thermometer.
Okay.
Vielleicht gibt’s ihn doch.
Vielleicht ist mein Sarkasmus das letzte Eisstück,
an dem ich mich klammere,
während die Welt drumherum verdampft.
Also hör‘ ich auf,
so zu tun, als wär‘ alles cool.
Denn cool ist’s halt nicht mehr.
Weder die Erde,
noch wir.
Wir (Ming Ye Lu)
Gehör‘ ich dazu? Gehör’ ich dazu?
Gehört jemand mit gelb statt weiß, mit schwarz statt blond,
ist jemand, der hier lebt, isst, von der selben Quelle trinkt, die gleiche Sprache spricht, dennoch nicht genug?
Sie fragen mich : „Kannst du überhaupt sehen? Schmeckt Haustier? Wie ist Kindheit mit Arbeit?“
Mit ausgrenzendem Kern versteckt durch ein Lächeln!!!
Ich stecke fest.
ich ziehe mir mehrere Schichten an.
ich passe mich an.
ich schmücke mich.
ich lerne DIE Sprache.
ich esse DAS Essen.
ich passe mich an.
Es ist Humor. Jaja. Sie sagen es, es ist Spaß, es ist lustig!
lustig?
Egal, warum hinterfragen? Das ist mein neues Ich.
Aber bin ich dann noch Ich?
Egal.
Ziehe noch mehr Schichten an. Ich versuche mich anzupassen. Aber sie können NICHT vergessen. Sie können NICHT VERGESSEN. Es liegt an mir.
Es ist das gelb statt weiß und das schwarz statt blond.
Ich verändre mich, aber entkomme nicht.
Ich werd verfolgt. Drehe mich um, es ist mein Schatten.
Warum sehen sie dich, aber nicht mich?
Warum sehen sie nur das Rote?—
„weil ihr alle gleich seid.“ weil wir – also alle gleich sind. Achso — kein Thema.
Geprägt von nicht dazu, versuche ich zu erinnern. Zu erinnern an meinen verlorenen Roten Faden, der Faden zur Flagge.
Ich lege die Schichten ab.
Ich hab keinen Bock mehr auf eure Mauer aus Vorurteilen,
die aus Beton und Bilcken gebaut, die sagen:
„Du – bist kein Teil von uns.“
Ich erinnere mich an das vertraute Rot und Gelb, das hinter mir steht, aber wenn ich zurückkehr‘
—bin ich mehr weiß als gelb, mehr blond als schwarz.