Philipp Winkler mit seinem neuen Roman zu Gast beim Deutsch-LK: KlasseBuch am Konrad-Adenauer-Gymnasium

Selbstpreisgabe und gewollte Inszenierung. Heimliche Überwachung und Gewalt: Was richten mediale Bedingungen und Möglichkeiten von heute im Leben Jugendlicher und junger Erwachsener an? Die Antwort des 1986 geborenen Autors Philipp Winkler ist sein Roman Creep, der gerade erst im Januar diesen Jahres erschien. Umso spannender war es für den Deutsch-Leistungskurs in der Q1 des Konrad-Adenauer-Gymnasiums in Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus Bonn eine Lesung mit den Autor im Rahmen der Veranstaltungsreihe KlasseBuch vorzubereiten und umzusetzen. Hier galt es, zwei Textpassagen für die Lesung durch den Autor auszuwählen, den Autoren professionell und doch spielerisch willkommen zu heißen,ihn als Autor und seinen neuen Roman dem Publikum vorzustellen und sein Werk und seine Arbeit durch Interviewfragen zugänglich zu machen.

Dabei leisteten Sabine Schiffner (selbst Autorin und erfahren im Umgang mit Literaturvermittlung bei Jugendlichen) und Charlotte Hübner vom Literaturhaus (Planen, Ermöglichen, Kurshalten…)  Schützenhilfe, die unsere Veranstaltung trotz des viralen Damokles-Schwertes ermöglicht haben. Und das, obwohl wir zu Beginn auf der Basis eines PDF-Textdokuments loslegten: der Roman war noch nicht einmal gedruckt! Die Aufregung, bereits vor dem Erscheinen des neuen Werkes eines Bestsellerautoren „unsere“ Lesung zu planen dafür desto größer! Kurz , aber intensiv war unsere produktive Auseinandersetzung mit den beiden Hauptfiguren  Fanni und Junya: Erstere arbeitet für eine Computerfirma, die Überwachungskameras installiert, bleibt aber nach Dienstschluss allein im Büro, um sich per Kamera-Observation in das Privatleben einer dreiköpfigen deutschen Familie hineinzuhacken. Letzterer vegetiert isoliert vor seinem PC in seinem japanischen Kinderzimmer, geht jedoch nachts auf Beutezug, um ausgestattet mit Perücke, Waffe und Digi-Cam Gewalttaten durchzuführen und anschließend online zu stellen. So übt er Rache für seine in Schule und Familie durchlittenen Traumata. Unser literarischer Abend mit Philipp Winkler wurde reich an geplanten, spontanen und unerwarteten Facetten: Yousra El Alami und Max Proksch waren als Moderationsduo souverän, spontan, schlau und obendrein warmherzige Gastgeber. Hans Schneider und Joris Emmrich forderten dem Autor in ihrem biographischen Spiel alles ab und dieser gab auch alles, als er sich plötzlich vor der Aufgabe sah, mit jeder neuen Frage jeweils die vorhergehende beantworten zu müssen. Wie gut, dass Herr Stett (Gesang und Gitarre) und Herr Trimpler (Saxophon) – thematisch passend – die Lieder Creep von Radiohead und Where is my mind? (Pixies) interpretierten und die SchülerInnen des Kurses, die auch in Frau Schetters Kunst-LK sind (Gill Stergiopolous, Frida Schumacher, Emma Quantius und Lynn Rothe), unterstützt durch die Technik-AG für ein atmosphärisches, prägnantes Bühnenbild unter Verwendung des Buchcovers sorgten.


Eine weite Bandbreite der Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Buch ist typisch für das Format der Reihe KlasseBuch. Dies wurde besonders deutlich an Lucia Banks‘ graphischem, digital erzeugten Beitrag zum Thema Gewalt im Roman, wobei Lucia gezielt ausgewählte japanische Schriftzeichen verwendet hat. Eine große Überraschung für uns alle war zudem, dass uns erst in dem Moment, wo Philipp Winkler las und unsere Fragen besonders ausführlich und dabei offensichtlich um Antworten ringend beantwortete, klarwurde, dass unsere Veranstaltung die allererste Lesung aus dem Roman Creep überhaupt war: Premiere also: ein sehr seltener Umstand bei Autoren dieses Kalibers. Als LeserInnen dieses großen, in seiner Aktualität unheimlichen und teils verstörenden Romans ist uns aufgefallen, wie Momente von Menschlichkeit und Zärtlichkeit inmitten des geschilderten Grausamen und Hässlichen  einen Keim von Hoffnung in sich tragen, selbst bei der Figur des Masataka, der als eine Figur der japanischen Unterwelt ein Doppelleben führt und selbst als Schüler den Protagonisten gequält hat: In ihrem Abschiedsbrief an die literarische Figur schreibt Lucia: „Damals warst du ein anderer und du kannst stolz darauf sein, was du aus dir gemacht hast.“ Als Lehrkraft bin ich glücklich über und auch stolz auf diesen gelungenen Abend mit Philipp Winkler, der dritten Veranstaltung von KlasseBuch am Konrad-Adenauer. Mein Dank geht auch an die RheinEnergie Stiftung Kultur für die Ermöglichung dieser Veranstaltung in Zeiten großer Probleme für junge Künstler und für das bei andauernder Pandemielage nicht selbstverständliche Ermöglichen kultureller Begegnung von jungen Schülerinnen und Schülern mit lebendiger junger deutscher Literatur. Für einige im Leistungskurs auch ein regelrechter „Kick“, sich an Literatur jenseits vorgeschriebener Lektüren mit Selbstvertrauen heranzuwagen und sich produktiv mit ihr auseinanderzusetzen. (Fotos: copyright Literaturhaus Bonn)
J. Juhre, Deutsch, Literatur